Es muss nicht immer „eckig“ sein! Auf Spurensuche zwischen Malchow und dem Plauer See, 1
Fachgruppe IV – Befestigungen des 17. – 18. Jh. Einladung zum Vogesentag 2013, 6
Zwischen Narvik und Tromsö: Der Fachgruppenleiter V (Atlantikwall) auf Nordnorwegentour, 8
Bericht zur Exkursion der Fachgruppe VI (Maginotline) am 3.2.2013, 13
Fachgruppe VIII – Touristik: Große Festungsstudientour Februar 2014 in das Sultanat Oman geplant, 15
Ergänzung bzw. Berichtigung zum Artikel über den Feuerleitstand Karola, 16
Erfolgreiche Herbststudientour nach Kuba, 17
Bericht zum Westwalltag 2012, 21
Fachplanungsbüro für Brand– und Denkmalschutz: Fachexkursionen, 24
BÜCHER FÜR DEN FESTUNGSFORSCHER, 26
– Das Heidelberger Schloss und seine Befestigungen
– Les abris de la ligne Maginot
– Verona. Un Teritorio Fortificato
– Fort II – Stefan Czarniecki (Fort I – Bülow)
– BUGA Koblenz – Wir waren dabei. Strategen, Macher, Vereine, Menschen / Was bleibt. Veränderungen und Nachhaltigkeit in der Region Mittelrhein
– Koblenzer Stadtgeschichte – neu erzählt
– Ordnance: War + Architecture & Space
– Twierdza Iwangorod – Deblin 1837–1944
– Zamki, fortezi, palazi Ukraini / Castles, fortresses, palaces of Ukraine
Es geht auch anders – Bunkernutzung in Bochum, 31
Es muss nicht immer „eckig“ sein! R. Spannhake und F. Brouwers auf Spurensuche zwischen Malchow und dem Plauer See
Text und Bilder: Florian Brouwers
Baubeginn der vielfältigen Anlagen war das Jahr 1938, die bereits ein Jahr später ihre Produktion aufnehmen konnte. Als Betrieber der fungierte die „GmbH zur Verwertung chemischer Erzeugnisse“, eine Tochtergesellschaft der Dynamit Nobel AG, die unter diesem Namen zunächst auch sämtliche Bauwerke und die erforderlichen Straßen, Brücken und Bahnanschlüsse gebaut hatte. Nicht Betreiber aber Eigentümer der gesamten Einrichtung war dagegen die Montan Industriewerke GmbH, die ein reichseigener Betrieb war und auf diese Weise alle produktionstechnischen Details bestimmen konnte, ohne gleichzeitig als eigentlicher Produzent auftreten zu müssen.
Die zunächst rund 2.000 Mitarbeiter stellten neben anderen Rüstungsgütern vor allem den Sprengstoff Nitropenta (PETN) her, der monatliche Gesamtausstoß lag 1939 bei 550 Tonnen, wovon 150 Tonnen auf den Sprengstoff entfielen. Für dessen Herstellung wurde der kristalline Alkohol Pentaerythrit in drehbaren Kesseln mit Salpetersäure vermischt, gefiltert, gewaschen, umkristallisiert, getrocknet und schließlich mit Wachs vermischt, um ihn gegenüber Erschütterungen unempfindlicher zu machen. Nitro-penta und auch andere Sprengstoffe wurden dann zu Zünd- und Sprengladungen für Granaten gepresst. Außerdem wurden Sprengkapseln, Sprengschnüre und Zündpillen hergestellt. Da das Nitropenta leicht zur Detonation gebracht werden kann und außerdem einer der energiereichsten Sprengstoffe ist, eignet es sich besonders für diese Verwendung sowie für Minen und Bomben (S. Paarmann: „Chemie des Waffen- ... wesens).
Im Fortgang des Krieges wurden hier wie überall in der Industrie zunehmend Fremdarbeiter und 1.000 KZ-Häftlinge aus dem Frauenlager Ravensbrück als Arbeits-kräfte eingesetzt, was die Zahl der Beschäftigten auf über 5.200 Menschen ansteigen ließ. Bis 1944 steigerte sich die monatliche Gesamtproduktion auf 3.125 t, von denen mehr als 2.200 t auf den Sprengstoff entfielen. Zusätzlich sollen im gleichen Zeitraum etwa 50.000 km Sprengschnur und 1,6 Millionen Sprengkapseln gefertigt worden sein.
Die Lager der Zwangsarbeiter in der heutigen West-Siedlung und die Unterkünfte der einheimischen Arbeiter in der Sanfeld-Siedlung sind bis heute in der Nähe von Malchow in weiten Teilen erhalten. Die Baracken der KZ-Häftlinge dagegen sind abgerissen worden. Das gesamte Werk wurde zwischen 1948 und 1952 sehr nachhaltig gesprengt, so dass heute nur noch wenige Bauwerke in dem weitläufigen Waldgelände unbeschädigt zu finden sind.
Dazu gehört zunächst das umfangreiche Wegenetz. Es bestand aus betonieren Fahrwegen, die ausschließlich von Elektrokarren benutzt werden durften, um die Gefahr von explosionsauslösenden Funken möglichst gering zu halten. Aus dem gleichen Grund durften auf den Gleisanlagen des Munitionswerkes nur sogenannte Speicherdampflokomotiven verkehren, die ohne eigene Befeuerung Dampf in Druckkesseln speicherten und zum „auftanken“ zum Kraftwerk außerhalb der Sicherheitszone gefahren werden mussten. Muster der Elektrokarren sind nach lange nach dem Krieg bei der Post und auf Bahnhöfen zur Gepäckbeförderung eingesetzt gewesen, die Lokomotiven nur noch im Werksverkehr verschiedener chemischer Großbetriebe.
Entsprechend den Bestimmungen der Heeresdienstvorschrift HDv 454/1 (" Heeresfeuerwerkerei, Grundsätze für das Bauen von Munitionsanstalten") sind auch beim Wegebau alle geraden Straßenführungen vermieden worden, und so schlängeln sich bis heute die Betonbänder in seltsamen Kurven durch das überwachsene Gelände. Auch sämtliche anderen Gebäude fallen dadurch auf, dass sie, wo immer es möglich war, Rundungen statt gerade Kanten zeigen. Die Tarnbemühungen gingen so weit, dass Bäume nicht gefällt, sondern mit einer brunnenartigen Ziegelverkleidung der Stämme versehen wurden, wenn sie sonst der Errichtung eines Erdwalls im Wege gestanden hätten. Diese Erdwälle waren erforderlich, um besonders explosionsgefährdete Arbeiten auf dem Gelände ohne Gefährdung der unmittelbaren Nachbargebäude durchführen zu können. Der sonst benötigte Sicherheitsabstand von etwa einem Kilometer war ja nicht einzuhalten. Nur in einem Fall hat sich dieser Sicherheitswall mit der abknickenden Tunneleinfahrt und dem kleinen Gebäude in seiner Mitte unzerstört erhalten.
Fertige Produkte wurden in mehreren MLH (= Munitionslagerhaus) zwischengelagert. Sowohl der kleinere Typ 25 (für 25 m2 Fläche) als auch der Typ 50 sind auf dem Gelände noch zu finden. Die meisten erhaltenen wurden zwischenzeitlich verschlossen und als Fledermausquartiere eingerichtet.
Eindrucksvollste Ruine des gesamten Bereiches ist aber wohl der erst im Laufe des Krieges errichtete Luftschutzbunker vom Typ Zombeck. Bei der Sprengung regelrecht auseinandergeflogen, liegen die Seitenwände kreisförmig geordnet um die spitz zulaufende und unzerbrochen gebliebene Decke unter den Bäumen wie ein Puzzlespiel.
Unter Berücksichtigung eines Besuchs auch der ehemaligen Wohn- und Unterkunftsgebäude sowie der Tatsache, dass die A 19 das Gelände etwa mittig durchschneidet und deshalb eigentlich zwei getrennte Waldgebiete erwandert werden müssen, erfordert selbst die nur halbwegs vollständige Begehung einen ganzen Tag. Weil dazu aus den bekannten Gründen vor allem das Frühjahr geeignet ist, sollten sich Interessenten also auch auf die kürzere Phase des Tageslichts und Mitnahme ausreichender Verpflegung einstellen. Ein Besuch lohnt sich ganz außerordentlich und verhilft zu einer Reihe überraschender Erkenntnisse.
Quellen:
- Sawatzki/Treu/Bröcker/Nill, "Das Munitions- und Sprengstoffwerk in Malchow 1938-1945",
Stadt Malchow
- Sven Bardua und Michael Grube: „Munitionswerk Malchow“ in http://www.geschichtsspuren.de
- HDv 454/1 (" Heeresfeuerwerkerei, Grundsätze für das Bauen von Munitionsanstalten")