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Am Wall

Am Wall 66 - Schwere Artillerie auf dem Felsen von Gibraltar

Schwere Artillerie auf dem Felsen von Gibraltar

Text und Bilder: H. Schramm

Durch die mehr als tausendjährige Befestigungsgeschichte Gibraltars - die zuerst von Mauren, dann von Spaniern und schließlich von Briten bestimmt wurde - ist die Halbinsel reich an gut erhaltenen Befestigungsanlagen der verschiedenen Epochen. Besonders die von den Briten ab 1704 bis Mitte des 20. Jahrhunderts erbauten Artilleriestellungen sind derart vielfältig, dass daran interessierte Tagesbesucher vorher Prioritäten setzen sollten. Wegen meines Faibles für schwere Artillerie standen die Batterien oben auf dem Felsen daher auch auf meiner Liste ganz oben.

 

 


Princess Ann’s Battery: 5,25 inch QF Mk 1B Mehrzweckgeschütze
Nach den im ausgehenden 19. Jahrhunderts festgelegten neuen Standards für die Armierung der Küstenartillerie des Mutterlandes und der weltweiten Marinestützpunkte, wurden 9.2-Inch Geschütze als „counter-bombardment gun" für den Fernkampf eingeführt. Von ehemals 14 in Gibraltar installierten Geschützen dieses Kalibers waren bei Ausbruch des 2. Weltkrieges noch acht einsatzbereit. Bei den im Süden, auf den Windmill Hill Fiats und am unteren Felshang plazierten Batterien West (2x), Buffadero (Ix) und Levant (Ix) waren die Mk X Rohre in Lafetten des älteren Typs Mk V eingelegt. Durch die geringe maximale Elevation von 15° lag die Höchstschussweite bei nur 16 km. Spur Battery, weiter hangaufwärts, und die mit etwa 100 Meter Abstand auf dem südlichen Ende des Felsgrades aufgestellten Batterien O'Hara's und Lord Airey's waren mit neueren Lafetten des Typs Mk VII ausgerüstet, die eine Elevation bis auf 35° ermöglichten. Dadurch wurde die Reichweite auf 27,8 km gesteigert (mit Höchstladung sogar auf 33,5 km). Breakneck Battery (9.2-Inch Mk X on Mk V mounting) nimmt 400 Meter weiter die nördlichste Position ein. Während die drei erstgenannten Batterien wirksam die Meerenge sperren konnten, waren die drei Batterien auf dem Felsrücken durch den Schwenkbereich von 360° in der Lage, auch Ziele an der afrikanischen Küste und im spanischen Hinterland zu erreichen.

Vier Geschütze sind seit der Außerdienststellung verschrottet worden. Spur Battery wurde Anfang 1981 von einer Einheit der Royal Engineers demontiert und nach England verschifft. Seit dem 4.Juni 1982 ist das Geschütz - auf einer dem Original nachempfundenen Bettung - im Imperial War Museum Duxford in Cambridgeshire zu besichtigen. Die Geschütze der Batterien O'Hara's / Lord Airey's und Breakneck sollten nach meinen Informationen noch vor Ort und zu besichtigen sein.


10 Ton Gun und 3,7 inch Flak

Gibraltar Oktober 2007

Die Anreise mit dem Auto verlief bei bester Wetterlage problemlos. Nach dem Durchwinken beim Zoll überquerten wir - meine Frau war so freundlich mich zu begleiten - das Rollfeld des Flugplatzes und stießen bereits wenig später auf die Bastionärbefestigung der Altstadt. Die von den Briten mit hellgrauem Steinmaterial erweiterte spanische Umfassung beeindruckte durch den guten Erhaltungszustand und das massive Erscheinungsbild. An markanten Punkten der Bastionen lugten verschiedentlich noch Rohre von Kanonen der RML- Periode aus den eisernen Blenden der Gibraltar Shields. Alle Befestigungsanlagen waren gut sichtbar - schwarz, auf weißem Grund - mit Namen und Baudatum beschriftet. So fuhren wir längs der Wellington Front, umkurvten South Bastion und kamen durch Southport Gate zu einem Parkhaus in der City. Über die Main Street, vorbei an ständig wechselnden Schnaps - und Kosmetikläden, erreichten wir die Basisstation der Seilbahn, die auf dem Signal Hill endet. Mit den von zahlreichen Kleinbusbesitzern angepriesenen „Rock-Tours" waren die Befestigungen am Upper Hill ebenfalls zu erreichen. Als ich die entsprechende Offerte eines Fahrers ablehnte, wurde ich mit der Verwünschung „May the ape's will bite you" bedacht. Die von uns bevorzugte Seilbahn brachte uns innerhalb weniger Minuten ans Ziel.
Bei der Ankunft in 375 Meter Höhe war die Überraschung groß. Der bereits bei der Anreise bemerkte Dunst über dem Fels, den ich für Morgennebel gehalten hatte, war zu einer dichten Wolke angewachsen. Dieses als „Levante Wolke" bekannte Phänomen tritt bei Ostwind auf, und kann sich mehrere Tage in Folge halten. Der über das Meer ziehende Dunst verdichtete sich an der Felswand, kondensierte und strich als Wolke über den Kamm. Weite Teile Gibraltars und der Bucht von Algeciras lagen im Schatten. Die Temperatur war merklich gefallen, die Sicht wechselhaft.

Auf der schmalen, stellenweise stark ansteigenden Militärstraße folgten wir den Hinweisschildern „O'Hara's Battery". Nach etwa halbstündiger Wanderung waren im Nebel oberhalb des Weges die schemenhaften Umrisse eines Geschützturmes auszumachen. Mit jedem Schritt tauchten weitere Gebäude des Batteriegeländes auf. Doch der Vorfreude folgte wenig später die Ernüchterung. Die gesamte Anlage war komplett eingezäunt, der Zugang durch ein massives Metalltor verschlossen. Die Enttäuschung war groß - da entdeckte ich zufällig den Trampelpfad, den frustrierte Besucher vor mir schon benutzt hatten. So gelangte ich nach einiger Kletterei dennoch zu dem auf einer Betonbettung aufgestellten 9.2-Inch Geschütz der Lord Airey's Battery.

Die seit der Außerdienststellung in den achtziger Jahren ausbleibenden Instandhaltungsmaßnahmen machen sich überall bemerkbar. Wind und Wetter haben den Metallteilen stark zugesetzt. Die Segeltuchplane die das hinten offene Panzergehäuse verschloss und die Manschette an der Rohrdurchführung sind nicht mehr vorhanden, die Stahlplatten der Bühne hinter der Drehscheibe eine einzige Rostfläche. Im Fundament der Bettung führt eine Treppe abwärts zu den Magazinen und der Tunnelverbindung zwischen beiden Batterien. Dort unten sind - auf halber Strecke - die  Feuerleiteinrichtungen und der Maschinenraum für den Betrieb der je 204 Tonnen wiegenden Türme untergebracht. Das Geschütz der O'Hara's Battery - auf einer weiter südlich, 420 Meter über dem Meeresspiegel erbauten Bettung - ist in sichtlich besserem Erhaltungszustand. Die Einrichtungen im Innern des Turmes weisen einen Neuanstrich auf. Im Gegensatz zur Schwesterbatterie sind viele Ausrüstungsdetails wie Handräder, Anzeigen für Höhen - und Seitenrichtung, und die Halterungen der Visierung noch vorhanden. Auf dem Verschlussträger aus Messing sind Markierungen, u. a. Hersteller, Herstellungsjahr und Nr. eingeschlagen (E.O.G. -1903 - Nr.277). Neben dem Verschluss stehend, konnte ich die beim Geschützdrill geübten Schritte des Munitionsflusses nachvollziehen, die wie folgt abliefen:


Kürzlich frisch gestrichen: Details des Turmes
 
Geschoss und Ladung wurden per Aufzug aus den Magazinen auf die Ebene unter dem Geschütz befördert. Über die auf einem Schienenkreis bewegten Transportwagen gelangten die Komponenten an die Stelle, an der sich der Munitionslift des Geschützes – je nach Schussrichtung – gerade  befand. Dieser Aufzug förderte Geschoss und Ladung auf die Ladeschale links hinter dem Verschluss. Nach Absenken bzw. Anheben des Rohres in die Ladestellung wurden Ladeschale und  Ansetzergehäuse hinter die Rohrachse geschwenkt, um zuerst das 172 Kg wiegende Geschoss, dann die zwei Kartuschen der Treibladung – zusammen 49 Kg – mit dem hydraulischen Ansetzer in das Rohr bzw. die Kammer zu schieben. Um bei Schnellfeuer die Transportwege abzukürzen, konnte auf Bereitschaftsmunition zurückgegriffen werden, die in Nischen im Beton der Bettung, unterhalb des Geschützes lagerte. Durch die Mechanisierung einzelner Schritte war eine eingespielte Bedienungsmannschaft in der Lage, zwei bis drei Schüsse pro Minute abzufeuern. Das dabei auch die nötige Präzision gegeben war, ist vom letzten Übungsschiessen der Spur Battery im Jahre 1973 überliefert. Bei der Abgabe von 29 Schüssen wurde das Schleppziel auf dem Meer gleich mehrfach getroffen.

Fotos von O’Hara’s Battery waren nur im Nahbereich möglich. Von meinem Standort neben dem Geschützturm – wo an klaren Tagen  Ausblicke über das Meer bis nach Marokko und den Gipfeln des Atlas möglich sind – war im allgegenwärtigen Nebel das Ende des elf Meter langen Geschützrohres gerade noch auszumachen.

Wegen der Wetterbedingungen, und weil neuerliche Einzäunungen zu befürchten waren, verzichteten wir auf die geplante Erkundung der Breakneck Battery. Auf dem Rückweg bergab trafen wir des Öfteren auf die berühmten Berber-Makaken, um die wir – wegen der „Verwünschung“ des Taxifahrers – lieber einen weiten Bogen machten. Mehrmals passierten wir Eingänge des weitverzweigten Tunnelsystems das den gesamten Felsen durchzieht (die Gesamtlänge der Stollen wird mit 34 Meilen angegeben). Unsere Felsentour endete auf einem Plateau am Nordhang. Dort sind die Mehrzweckgeschütze der Princess Anne’s Battery zugänglich. Die vier Modelle des Typs 5.25-Inch QF Mk 1B, die erst 1956 in Dienst gestellt wurden, erzielten Reichweiten von 16.9 km vertikal bzw. 24.6 km horizontal. Mit der Außerdienststellung der Batterie in den neunziger Jahren endete die Ära der ortsfesten Artillerie in Gibraltar.

Nach einem Abstecher in die geschäftige City – den ich meiner Frau schuldete – reichte die Zeit noch für die 100-Ton RML Kanone der Napier of Magdala Battery. Von ehemals vier derartigen Kanonen in britischen Diensten sind noch zwei erhalten. Rinella Battery, südlich der Einfahrt in den Grand Harbour von Malta, und das Exemplar an der Rosia Bay in Gibraltar.

Das Geschütz mit dem Kaliber von 17.72-Inch, das dort seit 1883 aufgestellt war, wurde bei einem Übungsschiessen 1898 beschädigt. Das defekte Rohr tauschte man gegen das Rohr der – danach aufgegebenen – Victoria Battery aus. Die mit einer 204 Kg Ladung Schwarzpulver verfeuerten – 900 Kg schweren – Geschosse erreichten eine Mündungsgeschwindigkeit von 470 m/sek. Durch die effektive Reichweite von 6.4 km konnten weite Teile der Bucht von Algeciras bestrichen werden. Laden und Richten erfolgte über dampfbetriebene Hydraulikzylinder. Um den nötigen Druck zu erzeugen war eine Kessel –Vorheizzeit von drei Stunden nötig. Danach konnte alle vier Minuten ein Schuss abgefeuert werden. Sechzehn Artilleristen sorgten in den Magazinen für den Munitionsnachschub und die Bedienung der Lademechanik. Der Geschützführer und weitere 6 Mann waren mit dem Richten und Abfeuern des Geschützes betraut (die Angaben über die jeweilige Mannschaftsstärke schwanken zwischen 23 und 35 Mann).

Bei unserer Ankunft vor dem Batteriegelände erweckten das Gerüst und die Farbeimer vor dem Gebäude ungute Vorahnungen. Ein Schild am Tor verkündete dann auch die Schließung während der Renovierung. Doch weil die Maler das Tor einen Spaltweit aufgelassen hatten, schlüpften wir kurz entschlossen durch und konnten so wenigstens die Stellung mit dem Geschütz erkunden. Anders als auf Malta, wo die Batteriestellung mit Graben, Kaponieren und Kasernenblock einem kleinen Fort gleicht, hat man in Gibraltar auf Nahverteidigungsanlagen verzichten können. Das mächtige, etwa 103 Tonnen wiegende Kanonenrohr liegt in einer Lafette mit 18 Stahlrollen, die nach dem Abfeuern den Rücklauf auf dem Rahmen der 4° ansteigenden Unterlafette ermöglicht. Das 7,7 Meter lange Rohr ragt über die Betonbrüstung seewärts. In den Eckpunkten der Stellung, wo Parapet und seitliche Traversen zusammentreffen, befinden sich hinter Öffnungen in Stahlblenden die Hebebühnen der Munitionsübergabe. Die Munitionspassagen zu diesen Plattformen unter den Traversen und das Geschossmagazin in einem Gewölbe zwischen den Passagen waren für uns leider nicht zugänglich. Das vor der RML Kanone stehende 3.7-Inch Flak- Geschütz mit der seltsamen Farbgebung, ist das letzte erhaltene Exemplar einer Batterie von vier derartigen Geschützen, die während des Krieges auf dem Gelände der Magdala Battery in Stellung war.

Die über Algeciras untergehende Sonne erinnerte uns daran, dass noch die einstündige Rückfahrt bevorstand. So fand die Exkursion mit Impressionen von Gibraltar im milden Licht des nahen Abends ihren Abschluss. Der ereignisreiche Tag klang – nach einem erfrischenden Bad im Meer – auf der Terrasse unseres Hotels aus.

Tipps für Besucher:

Anreisende mit PKW  können die Parkplätze vor dem Grenzübergang benutzen (einfachste Lösung), im Stadtgebiet von Gibraltar parken (nervige Parkplatzsuche), oder mit dem Auto die oberen Regionen des Felsens erkunden (wer es sich zutraut). Die schweren Batterien auf dem Felsgrat erreicht man per Cable Car, mit den „Rock- Tour“ Taxis, oder – mit der nötigen Kondition – zu Fuß. Meine Informationen den freien Zugang der Anlagen betreffend waren falsch. Breakneck Battery ist immer noch im Besitz des Ministry of Defence. Lord Airey’s – und O’Hara’s Battery sind der zivilen Verwaltung von Gibraltar übereignet – und nach Absprache zugänglich. Für Interessenten ist Mr. Darren Fa – Deputy Director des Gibraltar Museum und Mitglied der Fortress Study Group – sicher ein geeigneter Ansprechpartner. Abschließend wünsche ich allen Festungsfreunden die Gibraltar besuchen, jederzeit offene Tore und, vor allen Dingen, Westwind.

Quellenverzeichnis

 - Allen Bailey/Terry mc Govern: CDSG – Tour to Spain and Gibraltar. October 2005

- Darren Fa/Clive Finlayson: The Fortifications of Gibraltar 1068 – 1945. Osprey Publishing

- After the Battle – Number 21/Gibraltar.

 


nicht maßstäbliche Skizze zur Verdeutlichung des Munitionsflusses



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