Überlegungen zum Einbau von Raketenbewaffnung zur Panzerabwehr in Befestigungsanlagen
Es lag also nahe, diese Waffen auch in Befestigungsanlagen zur Abwehr von Panzern zum Einsatz zu bringen. Ende der Jahres 1943 begannen somit erste Planungen, welche der zahlreichen mehr oder weniger ähnlichen Entwicklungen und Waffenprojekte sich zum Einbau in Befestigungsanlagen eignen würden. Nach reiflicher Überlegung blieben zwei Waffen übrig: "Puppchen" und "Karola". Beide Waffen waren parallele Entwicklungen zur 8,8-cm-Raketen-Panzerbüchse 43 (auch Panzerschreck oder Ofenrohr genannt), allerdings auf Lafette montiert. Sie ähnelten somit eher einem kleinen Geschütz.
Der Raketen-Werfer 43 "Puppchen" besaß eine 1-achsige fahrbare Lafette, eine glattes ungezogenes Rohr und ein Schutzschild. Eine Höhen- und Seitenrichtmaschine war nicht vorhanden, das Richten erfolgte mit der Hand. Sein Gewicht betrug rund 150 kg und die höchste Schußweite auf Panzerziele ca. 230 Meter. Eine Sprenggranate zur Bekämpfung von Weichzielen bis 700 m befand sich bei Kriegsende noch in der Entwicklung. Die Bedienung bestand aus 4 Mann. Bei Bedarf konnte das "Puppchen" zum Transport auch in sechs Lasten zu je 20 bis 30 kg zerlegt werden.
Das Gerät "Karola" dagegen besaß lediglich eine Lafette mit Fußstützen und einem rückwärtigen Sporn. Auch ihr Rohr war glatt und ohne Züge. Eine Höhen- und Seitenrichtmaschine fehlte ebenfalls. Da auch noch auf ein Schutzschild verzichtet wurde, betrug das Gesamtgewicht lediglich 25 kg. Allerdings sank die Reichweite auf nur noch 120 Meter. Zur Bedienung waren 2 Mann vorgesehen.
Verschossen wurde jeweils dieselbe Munition, nämlich die 8,8-cm-Raketen-Panzergranate 4312 mit 2,7 kg Gewicht. Sie konnte bis zu 160 mm Panzerstahl durchdringen.
Am 26. Januar 1944 erfolgte durch Wa.Prüf.2, Wa.Prüf.Fest und In.Fest auf dem Schießplatz Kummersdorf eine Vorführung beider Waffen. Untersucht wurde insbesondere deren Unterbringung in Befestigungsanlagen:
I.) Gerät "Puppchen":
1.) Die Unterbringung des Gerätes ist in Ringständen nicht möglich, da
a) Waffe und Schütze zu hoch hinauskommen,
b) das Gerät zu vorderlastig,
c) die Bewegungsmöglichkeit sehr eingeschränkt ist. Die Durchreichung der Munition ist fast ausgeschlossen,
d) die Tarnung sehr erschwert ist,
e) eine Umkonstruktion notwendig wäre, die den Aufbau um 150 mm heruntersetzen müßte.
2.) Ein feldmäßiger Einsatz ist geeigneter. Abgesetzte minierte Unterschlupfräume können zur Unterbringung von Gerät und Mannschaften dienen. Auch Pak-Unterstellräume können dafür verwandt werden.
3.) Es wird vorgeschlagen, als Unterstellräume die Regelbauten 601 bzw. 629 zu verwenden. In diesen können mindestens 2 R.W. Geräte untergebracht werden oder durch Verkleinerung 1 Gerät mit Mannschaft.
4,) Schartenstände sind wegen der Unmöglichkeit des Rundumfeuers für den Einsatz dieser Waffe nicht geeignet.
II.) Gerät "Karola":
1.) Unterbringung im Ringstand
a) nach beigelegtem Vorschlag [Dokument nicht vorhanden]
b) nicht möglich in den üblichen Ringständen (MG-Ringstand 80 cm) da zu beengt und schlechte Durchreichmöglichkeit für Munition. Außerdem Neukonstruktion einer neuen Lafette.
2.) Einsatzmöglichkeiten
a) festungsmäßige Unterbringung der Mannschaft und Waffen im Kleinstunterstand Regelbau 668.
b) feldmäßig minierter Unterschlupfraum für Unterbringung von Mannschaften und Gerät. Feuerstellung links oder rechts seitlich oder unmittelbar neben dem Eingang.
3.) Einsatz in Schartenständen wegen der Unmöglichkeit des Rundumfeuers nicht erwünscht.
Die Erprobung schließt mit dem Hinweis, daß das "Puppchen" bereits fertig entwickelt und eine Fertigung von 3000 Stück vorgesehen sei. "Karola" hingegen solle der Vereinheitlichung zum Opfer fallen, nach der nur noch ein einziges Gerät weiterentwickelt werden dürfe.
Somit war klar, welche Waffe künftig in den Befestigungen zum Einsatz kommen sollte: Das von den Wilhelm-Gustloff-Werken und der Maschinenfabrik Donauwörth gefertigte "Puppchen". Es blieb nur noch übrig, die geeignetste Art der Unterbringung herauszufinden. Nach einer weiteren dementsprechenden Erprobung legte In.Fest am 14. März 1944 folgenden Abschlußbericht zur "Unterbringung des R-Werfers 43 (Puppchen) in Regelbauten" vor:
I. Unterstellräume
1.) Regelbau 601 (600 cbm Beton)
Unterstellmöglichkeit für 4 Geräte. Infolge der fast erdgleich liegenden Sohle ist ein Herausbringen des Gerätes schnellstens möglich, wobei die feldmäßig anzulegende Feuerstellung seitlich oder rückwärts (schlechter wegen evtl. Sichtbehinderung) liegen könnte. Lagerung der Munition in dem Stande selbst. Unterbringung der Mannschaften im Br.Raum etwas beengt. Bei Fortfall der Zwischenwand zum Vorrat- und Geräteraum ist Unterbringung der gesamten Mannschaft möglich.
2.) Regelbau 602 (810 cbm Beton)
Unterstellmöglichkeit für 4 Geräte.
Feuerstellung wie bei Ziff. 1. Die Munitionslagerung könnte im Unterstellraum selbst erfolgen. Durch Einziehung einer Zwischendecke aus Beton oder Holz kann der 3,50 m hohe Raum entsprechend (1,20 + 2,50 m) unterteilt werden.
Unterbringung der Mannschaft beengt.
3.) Regelbau 604 (800 cbm Beton)
Unterstellmöglichkeit für 2 Geräte.
Feuerstellung wie bei Ziff. 1. Jedoch ist der Bereitschaftsraum für Unterbringung der Mannschaft etwas reichlich bemessen.
4.) Regelbau 629 (675 cbm Beton)
Unterstellmöglichkeit für 2 Geräte. Feuerstellung wie bei Ziff. 1. Bereitschaftsraum beengt.
Durch Fortfall der provisorischen Zwischenwand könnte die gesamte Bedienung untergebracht werden.
Lagerung der Munition unterhalb der Geräte im Unterstellraum.
5.) Regelbau 672 (340 cbm Beton, Kleinstand)
Unterstellmöglichkeit für 4 Geräte.
Feuerstellung feldmäßig seitlich oder vor dem Stand.
Unterbringung der Mannschaften in einem besonderen Bunker. Desgleichen von Munition.
Von den vorerwähnten 5 Regelbauten erscheint der Regelbau 629 als der geeignetste und zwar in Bezug auf Unterbringung der Mannschaften und der Munition.
Regelbau 672 könnte zusätzlich zu jedem Gruppenunterstand in verkleinerter Form für 2 R.-Werfer 43 gebaut werden, wobei das Innenmaß in der Länge wegen der Kleinheit des Gerätes von 8,35 auf 3,305 heruntergesetzt werden könnte. Die gesamte Betonmassen würden für diesen Fall 150 cbm betragen. Da bei diesem Unterstellraum jede Inneneinrichtung fehlt, würden keine sonderlichen Bauschwierigkeiten auftreten. (Anl.1)
II. Schartenstände
1.) Regelbau 625
Geeignet für den Einbau eines Gerätes.
Um jedoch aus dem Schartenstande schießen zu können, muß der Fußboden des Kampfraumes um 20 cm erhöht werden, die Anbringung eines durchgehenden Spornwiderlagers wäre erforderlich.
Unterbringung der Mannschaft und der Munition im Schartenstand selbst.
2.) Regelbau 667
Unterbringung eines Gerätes.
Auch hier Unterklotzung des Gerätes, oder Erhöhung des Fußbodens um 45 cm. Die Anbringung eines durchgehenden Spornwiderlagers wäre ebenfalls erforderlich.
Die Unterbringung der Mannschaft und der Munition müßte gesondert erfolgen.
Von den vorerwähnten Regelbauten erscheint die Unterbringung des Gerätes "Puppchen" im Regelbau 667 als die geeignetste, da der Aufwand an Baumaterialien am geringsten ist. Störend wird sich bei allen Schartenständen das beschränkte Seitenrichtfeld bemerkbar machen. Zweckmäßig erscheint deshalb die Unterbringung bei diesem leichtbeweglichen Gerät in einem Unterstellraum und das Schießen aus einer feldmäßig angelegten Feuerstellung mit Rundumfeuer.
III. Munitionsräume
Für den Fall, daß die Munition außerhalb des Unterstellraumes bzw. Schartenstandes ausgelagert werden muß, wie bei Regelbau 672, Geschützunterstellraum und 667 Kleinstschartenstand wird vorgeschlagen, dafür Regelbau 674 zu bauen.
IV. Bereitschaftsraum
Die Unterbringung der Mannschaften kann überall da, wo mehrere Geräte untergestellt sind und der Bereitschaftsraum nicht ausreicht, wie in den Unterstellräumen der Regelbauten 601, 602, 629, 672 und Kleinst-Schartenstand 667 in Regelbau 668 erfolgen.
Leider geht aus den Akten nicht hervor, was aus den Planungen wurde und ob letztendlich wirklich "Puppchen" in Befestigungen oder anderen festen Verteidigungsstellungen zum Einsatz kamen. Anbetrachts der geringen Gesamtfertigung von nur 3150 Geräten (1943: 2862 Stück / 1944: 288 Stück) erscheint es jedoch eher unwahrscheinlich. Zudem wurde die Fertigung bereits im Februar 1944 wieder eingestellt und die Teile einer begonnenen 3000-Stück-Serie verschrottet. Die vorhandenen "Puppchen" wurden zum Teil an den Volkssturm abgegeben. Bei Kriegsende gab es im Bestand noch insgesamt 1649 Geräte – verstreut an allen Fronten.
Diverse Weiterentwicklungen oder Alternativgeräte kamen über das Planungsstadium nicht mehr hinaus. In der Fertigung verblieb nur noch die 8,8-cm-Raketenpanzerbüchse 54 (Kurzversion des Panzerschrecks). Waffen wie die 8,8-cm-Granatbüchse (vereinfachtes "Puppchen" ohne Lafette), der "Rückstoßfreie Werfer 43" von Krupp oder der 10,5-cm-Panzerabwehrwerfer waren entweder zu aufwendig oder boten keinen ausreichenden Vorteil, der eine Fertigung hätte rechtfertigen können.
Technische Daten "Puppchen":
Gesamtlänge einschl. Deichsel 2,87 m
Gesamtbreite 0,99 m
Spurbreite 0,88 m
Feuerhöhe mit Rädern 0,61 m
Feuerhöhe ohne Räder 0,47 m
Gewicht mit Rädern 149 kg
Gewicht ohne Räder 105 kg
Seitenrichtfeld 60 °
Höhenrichtfeld +15° bis -18°
Max. Schußweite gegen Panzerziele ca. 230 m
Max. Schußweite gegen Erdziele ca. 700 m
Feuergeschwindigkeit 10 Schuß/Minute