Ein Ausflug nach oben
Text und Bilder: Florian Brouwers
Es war deshalb wohl auch kein Zufall, dass es gerade Befestigungen an diesem See waren, die zuerst das Interesse früher INTERFEST-Mitglieder weckten und Hinweise darauf auch in deutscher Sprache verbreiten ließ. „Mussolini-Linie“ nannten Pierre Rhode und andere 1983 in den Dokufest-Nachrichten die Bunker direkt am Seeufer damals. Auf deren Erkenntnissen ließ sich dann später trefflich aufbauen. Das heißt aber nicht, dass die Besichtigung nun heute ganz mühelos ist.
Der Verfasser hatte jetzt erneut Gelegenheit, diese interessante Gegend zu besuchen. Neben den Anlagen am und im noch nicht ganz gefüllten Stausee sind es immer die Höhenwerke, die nach Ablieferung einer gewissen sportlichen Leistung eindrucksvolle Besichtigungsmöglichkeiten als Belohnung bieten.
Neben dem recht bekannten und mittlerweile selbst für Radfahrer erreichbaren Ziel auf dem Gipfel des Malamot ist es vor allem das ehemalige Fort Pattacroce, das mitsamt der ganzen Gegend nach dem Friedensvertrag von Paris zwischen Italien und Frankreich an letzteres fiel. Mit ihm kamen alleine an dieser Stelle auch zwei Artillerie- und insgesamt fünf weitere Infanteriewerke unter die neue Herrschaft. Zusätzlich auch etwa ein halbes Dutzend in Felshohlbau errichtete Infanterieräume, einige betonierte MG-Stände sowie unfertige Bauwerke oft sonderbaren und nicht recht erklärlichen Charakters. Noch ein Stückchen oberhalb des namensgebenden Forts befindet sich das Centro 12, das hier den interessierten Wanderern vorgestellt werden soll. Sie müssen dazu lediglich auf der unbefestigten Ringstraße rund um den See etwa einen Kilometer nach dem Passieren des Forte Varisello ihr Auto abstellen und brav dem Hinweis folgen, nach dem es in 1,5 Stunden zum Forte Pattacroce geht. Das kann man schaffen, auch wenn danach vielleicht die Kondition irgendwie abhanden gekommen ist.
Das centro 12 ist die größte der hier 1932/1936 errichteten Anlagen und mit insgesamt zwei eindrucksvoll betonierten MG-Ständen, weiteren zwei stählernen MG-Glocken und einer Beobachterglocke ausgestattet. Dazu kommen ein Eingangsblock und die üblichen in Hohlgängen untergebrachten Einrichtungen wie Kaserne, Verbindungsgänge und -schächte, Wasserreservoir, Motorraum und ein Notausgang an der Seite eines der Betonblöcke. Die Besatzung wurde mit 30 Soldaten veranschlagt.
Am Standort der Beobachtungsglocke auf dem kleinen Gipfel der Anlage sind noch die gut erhaltenen Reste eines Fundaments für eine seilbahnähnliche Konstruktion zu sehen. Hier steht man in etwa 2.400 Meter Höhe.
Das Innere des Werkes ist nicht vollständig ausbetoniert, alle Kampfstände sind aber wie so häufig fertiggestellt worden und bis heute mitsamt den Panzerteilen gut erhalten. Einzelne Strecken der Hohlgänge stehen auch im Sommer noch immer unter Wasser. Wer sich nicht scheut, nasse Füße zu kriegen oder gar mit Gummistiefeln aufzusteigen, hat mit vielleicht 10 bis 15 cm Wassertiefe aber keine Probleme. Der Verfasser trägt bei solchen Gelegen-heiten gerne feste Leinenschuhe, die dann sowohl das Wasser hinein und wieder hinaus lassen als auch vor unliebsamen Überraschungen am Boden der Gänge schützen. Es ist allerdings ziemlich kaltes Wasser.
Weil es vollständig klar und unbeweglich in den Vertiefungen steht, wird es in den nachtschwarzen Gängen oft etwas spät bemerkt bzw. in seiner Tiefe unterschätzt.
Das passiert offenbar auch der hier ansässigen Fauna, denn in der Grube, die einst den Treibstofftank des Motors enthielt, schwimmen zwei ertrunkene Murmeltiere. Besucher müssen also eine gewisse Vorsicht walten lassen, auch wenn sie deutlich größer sind als Letztere. Weiteres Getier in Form von Wieseln, anderen Murmeltieren oder Stein- und Gamswild ist ebenfalls leicht zu sehen.
Von der Höhe des Beobachters bietet sich ein grandioser Ausblick auf die umgebende Gebirgslandschaft und das direkt zu Füßen des Wanderers liegende Forte Pattacroce mit seinem eingebauten Artilleriewerk, der Batteria B 5, und den dazu gehörenden Nahverteidigungsanlagen. Be-achtenswert ist dazu auch die ehemalige Kaserne, die noch bis vor wenigen Jahren als Unterkunftsmöglichkeit für Wanderer oder Besatzungen genutzt wurde, jedenfalls aber fest verschlossen war. Heute ist sie offen und es ist schmerzlich zu sehen, wie die Einrichtung vergammelt, verschimmelt und verfällt. Das frühere „Offizierszimmer“ ist noch immer mit zwei gründerzeitlichen Sekretären und einem ebensolchen massiven Tisch ausgestattet. Leider fehlt jedwede Transportmöglichkeit, von entsprechender Erlaubnis ganz zu schweigen.
Die umgebenden Hänge sind voller Blumen und Gräser, voller Schmetterlinge und seltener Pilze und es ist keine Schwierigkeit, größere Flächen mit Edelweiß oder anderen Alpenblumen zu betrachten. Tief unten kriechen winzige Autos um den See, die Sonne scheint und man darf sich auch als neugieriger Besucher unterirdischer Anlagen hier durchaus im Freien wohl fühlen. Sie sollten es gelegentlich versuchen.