Deutscher Hartguss in südlichen Gewässern, 1
Unterwegs auf dem „Szlak Twierdzy Krakow“, 4
Wehrbauernhöfe – ein weiteres Arbeitsgebiet für Festungsfreunde?, 6
Feuer in der Maginotlinie, 8
Vorschau auf 2015: Studientour nach Norditalien, 9
Infanteriestellungen aus dem Ersten Weltkrieg entdeckt, 10
Landesbefestigungen 1917: Bunker und Deckungsgräben am Eltenberg (Emmerich am Rhein), 15
Kastell Marmaris Kalesi, 20
DAS STEINERNE SCHLACHTSCHIFF–FORT DRUM (el Fraile) nahe MANILA, 22
BÜCHER FÜR DEN FESTUNGSFORSCHER,23
– Festungen in Baden–Württemberg
– Faszination Bunker. Steinerne Zeugnisse der europäischen Geschichte
– Der Atlantikwall
Niederländer kartiert Bunkerruinen in Neuenburg, 26
Geöffnete Bauten, Bauwerke und sonstige denkmalgeschützte Anlagen anlässlich des ”Tages des offenen Denkmals”, 28
BONN als Festungsstadt, 30
Schiffskanone von Krupp mit unbekanntem Schraubverschluss, 34
Schiffskanone von Krupp mit unbekanntem Schraubverschluss
Text und Bilder von H. Schramm
Während des Aufenthalts in der Hauptstadt Portugals im Sommer 2013 ergab sich die Möglichkeit nochmals die Ansammlung von Artilleriematerial im Forte do Bom Sucesso in Augenschein zu nehmen. Gleich nach dem Eingang ist dort in einem Emplacement ein 10,5 cm Geschütz auf Mittelpivotlafette ausgestellt das bei meiner Visite im Jahre 2009 noch nicht dort stand.
Trotz des Neuanstrichs sind - wie sich wenig später herausstellte - Typenschilder und Gravuren noch deutlich erkennbar. Die Besonderheit dieses Geschützes wird gleich bei der ersten flüchtigen Umrundung deutlich. Am Rohrende hinter dem Panzerschild, wo derartige Krupp-Geschütze üblicherweise mittels Keilverschluss verriegeln, befindet sich ein Schraubverschluss!
Die Angaben auf dem Typenschild an der Lafette lauten: 10,5 cm M.P.L. c/86./96. Die Gravur im Rohrende oberhalb des Verschlusses: N. 12 FRIED. KRUPP 1892 (Letzte Ziffer undeutlich)
Aufgrund des Farbauftrages sind Manipulationen am Verschluss oder gar ein Öffnen desselben leider nicht möglich. An nähere Informationen vor Ort zu gelangen scheitert an Sprachproblemen. So bleibt zunächst nur die Dokumentation mit der Kamera. (Fotos siehe S. 36)
Die nach der Rückkehr begonnene Recherche im Internet verlief zunächst ebenfalls negativ. Und wenn in den reichlich vorhandenen Foren zu Artilleriematerial keine Auskünfte zu bekommen sind, was dann? Richtig; die Anfrage bei Herbert Jäger. Doch wider Erwarten war selbst der ausgewiesene Fachmann zunächst ratlos (Für mich ein Novum!). Seine wenig später eingehende Bewertung lautet: „Krupp hat Versuche mit Kanonen im gängigen Kaliber 10,5 cm angestellt und einige Modelle anschließend an Portugal verkauft.“
Dazu konnte er Informationen aus einer “Geheimen Lieferliste der Gussstahlfabrik 1847 bis 1912“ von Krupp beisteuern in der verzeichnet ist, in welcher Anzahl Geschützmodelle der verschiedensten Kaliber nach Portugal gelangten. Zudem bekam ich den Rat, meine Fragen bezüglich des Verschlusses dem “Historischen Archiv Krupp“ vorzutragen.
Leider waren auch die Mitarbeiter des Archivs aufgrund fehlender Quellen nicht in der Lage, den Sachverhalt aufzuklären. Freundlicherweise wurde mir die Kopie einer Liste zugesandt, in der die Bestelljahre der Geschützlieferungen an Portugal von 1868 bis 1911 vermerkt sind. [1] Die Angaben der Liste stimmen mit denen aus H. Jägers Quelle überein. Nach Studium der Kopie gehe ich davon aus, dass im Zeitraum von 1888 bis 1897 insgesamt sechzehn 10,5 cm Kanonen auf M.P.L. geordert wurden.
Kanonen mit der Rohrlänge L/35 wurden 1888 zweimal, 1890 zweimal, 1896 viermal und 1897 viermal bestellt. (Bezeichnung in der Liste: 10,5 cm K. L/35, Schiffs) Vier im Jahr 1896 bestellte Modelle sind mit Rohren L/40 ausgeliefert worden. (Bezeichnung in der Liste: 10,5 cm S. K. L/40, Schiffs)
Leider werden in der Liste keine Angaben zur Art des Verschlusses gemacht worden. Die in der Lieferliste vorgenommene Unterscheidung zwischen Schiffs- und Küstenkanonen lässt die Vermutung zu, dass die 10,5 cm Kanonen für die Schiffsbewaffnung vorgesehen waren und erst zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise im Küstenschutz eingesetzt wurden.
Zu der Vermutung passend findet sich im Reprint von “Jane’s Fighting Ships of World War I“ Ausgabe 1919, unter Portugal u.a. der Kreuzer „Adamastor” von 1896 gelistet. Angaben zur Bewaffnung: Guns (Krupp) 2 - old 5.9 inch, 4 - 4.1 inch, 4- 9 pdr., 2- 1 pdr. [2]
Gewissheit verschafft schließlich Norman Friedman in seinem Buch “Naval Weapons of World War One“. [3] Im Kapitel “Other Navies’ Guns“ erfährt man zur Schiffsbewaffnung von Portugal:
10.5 cm/40: Krupp Gun, 1.6 tons, length 13 feet 8 inch, bore 37.4 kalibres, 30.9 lb shell, 6.83 lb smokless powder charge, 2460 ft per second, Portuguese designation K. 10.5/40. This gun armed the small cruiser Adamastor.
Die Geschütze der Adamastor wurden nach Außerdienststellung des Kreuzers 1934 in Lissabon im Arsenal von Beirolas eingelagert. Hinweise auf eine Weiterverwendung auf Schiffen oder an Land stehen derzeit noch aus.
Da sich das portugiesische Militär bei der Verschrottung von Artillerie-Material zurückhält, (Ausnahme: 28 cm- Haubitzen) sind noch mindestens vier 10,5 cm Kanonen L/35 erhalten: Das Modell mit Schraubverschluss im Fort von Bom Sucesso, zwei Modelle mit Keilverschluss auf einem Kasernengelände am Fuße des Pico da San Martinho auf Madeira, und das Geschütz - Baujahr 1888 mit der Produktionsnummer 1, das ich 2009 auf dem Gelände der Bateria da Raposa fotografieren konnte. Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass die Kanonen auch mit unterschiedlichen Lafetten und Panzerschilden ausgeliefert wurden.
Weitere Kanonen auf M.P.L. sind mit Google Earth hinter Schartenöffnungen auf den Bastionen des Forte Sao Juliao da Barra an der Tejomündung auszumachen. Dabei dürfte es sich allerdings um Modelle unterhalb des Kalibers 10,5 cm handeln.
Fazit: Auf dem Festland und den Inseln Portugals findet der einschlägig interessierte Besucher etliche Artillerie-Stücke vor, die die Zeiten in ihren angestammten Standorten als „Dekoration“ in Kasernen oder in Museen überdauert haben. Die Bestimmung der Modelle scheitert dabei oftmals an der fehlenden Beschreibung der ausgestellten Stücke. So auch im konkreten Fall.
Folgende Fragen bleiben daher bislang unbeantwortet: Was mag die Firma Krupp bewogen haben, nach den damals bereits bewährten Modellen mit Keilverschluss, eine Version mit Schraubverschluss zu produzieren? - Interne Versuche, Kundenwunsch? - Wird Patronenmunition verschossen? - Wenn ja, erübrigt sich die Frage nach der Liderung. - Wie viele Rohre mit Schraubverschluss wurden geliefert? - Wo waren die Geschütze ursprünglich aufgestellt?
Weil mir weitere Quellen zur Lösung der offenen Fragen nicht zur Verfügung stehen, möchte ich an dieser Stelle die Mitglieder der Interfest bitten, ihre persönlichen Archive zu durchforsten und auch vor Anfragen bei persönlich bekannten Fachleuten im In-und Ausland nicht zurückzuschrecken.
Um diesem Aufruf Nachdruck zu verleihen zum Abschluss noch eine kleine Anekdote, aufgeschnappt während der Interfesttagung in Germersheim im Mai dieses Jahres:
Als sich einige Teilnehmer beim Besuch der “Feste Kaiser Wilhelm“ ratlos um ein rostiges Kanonenrohr versammelt hatten, wurde Berhard Just - der uns an diesem Tage „seine Festung“ näher brachte - aufmerksam. Und da niemand das Rohr benennen konnte, stellte er gewohnt stimmgewaltig fest: „Typisch Interfest, wenn der Jäger nicht dabei ist hat wieder mal keiner ’ne Ahnung“!
Liebe Interfestler, belehrt Berhard Just eines Besseren! Lösungsvorschläge zur Fragestellung um das Geschütz an Lissabons Strande bitte an die Redaktion des “Wall“ oder an H. Schramm.
Quellen:
Herbert Jäger, Leipzig
HA Krupp, S 3 WT 1/3
[1] Bestellungsjahre Portugal, Lieferliste, Seite 36, Historisches Archiv Krupp, Essen
[2] Jane’s Fighting Ships of World War I, Random House Group Ltd, London
[3] Norman Friedman, Naval Weapons of World War One, Seaforth Publishing