Am Wall 98 - Das Präsidium arbeitet!
Um einem verbreiteten Verdacht vorzubeugen: Das Präsidium des Studienkreises INTERFEST e.V. ist rund um das Jahr an 365 Tagen mit den Angelegenheiten der Mitglieder, Interessenten, Käufer und Wissbegierigen aus aller Welt gut beschäftigt. Es sind ja nicht nur Tagungen zu organisieren, Bibliotheken zu verpflanzen oder Steuererklärungen zu erstellen, sondern auch viele vereinsbezogene Kleinigkeiten zu bearbeiten. Zu solchem Tun werden regelmäßig auch Sitzungen einberufen, an denen alle gewählten Mitglieder der Vereinsführung teilzunehmen haben. Weil die aber deshalb oft schwierige Terminplanungen absprechen müssen, hat es sich bewährt, neben der eigentlichen Sitzung immer auch ein wenig Festungsprogramm ablaufen zu lassen. Carpe diem!
In diesem Februar war als Ausflugsziel Küstrin mit seiner Umgebung auserkoren worden. Zwei der vier Arbeiter kannten dort noch nichts, es wurde also Zeit, dass sich das ändert. Erstes Ziel war, man sieht es oben, der weitläufige Pionierübungsplatz westlich von Fort Zorndorf. Das Wetter zeigte sich günstig, denn trotz eisiger Kälte schien die Sonne und weil alle Blätter der herumstehenden Bäume am Boden lagen, waren Sicht und Fotomöglichkeiten gut bis sehr gut. Es gab deshalb nicht nur keine Probleme, die einschlägigen Bauwerke zu fotografieren, sondern man sparte auch die im Sommer unvermeidlichen Irrwege.
Zweites Ziel war, natürlich, das nahe Fort Zorndorf. Den drei in diesem Festungszeitraum relativ Unkundigen war der Vizepräsident mit seinem schier unbegrenzten Fachwissen eine wertvolle Stütze, konnte er doch zu fast jedem einzelnen Ziegel, mindestens aber zu jedem der noch erhaltenen Räume, Wälle, Höfe und Schartenwerke fachmännisch Auskunft geben. Trotzdem war das allgemeine Bedauern über den mittlerweile doch sehr desolaten Zustand der Kasernen und Zwischengeschosse heftig. Auf den Wällen wächst das Gestrüpp fast alles zu und was nützt eine intakte Treppe hinauf in die Hohltraverse, wenn der Besucher dort oben wegen des Bewuchses nicht mehr ins Freie kommt? Ärgerlich auch, dass das gesamte Gelände während des jährlich-sommerlichen „Woodstock-Abklatsches“ auf dem direkt benachbarten freien Gelände als Toilettenbereich der größeren Art von tausenden Gästen benutzt bzw. missbraucht wird. Der herrschende Frost war jetzt in dieser Hinsicht günstig, man sollte aber in der Zeit während und nach solchen Veranstaltungen das Fort wohl doch besser meiden.
Das nächste Ziel war Fort Säpzig, dem Verfasser noch bekannt als nach Chemie stinkende und stark überwucherte Anlage. Beides ist jetzt anders, trotzdem waren die Besucher enttäuscht. Sehr schön freigelegt zwar, aber nicht zugänglich, liegt das Fort unter heftigem Beschuss. Im Wallgraben wurden mehrere Schießstände eingebaut, meterhohe Sandbarrieren als Kugelfang aufgeschüttet und die Wälle mit Wurfanlagen für emsiges Tontaubenschießen geradezu gespickt. Weil auch der gedeckte Weg schon mit Scherben übersät ist und zudem aus den Tiefen der Anlage dauerndes Knallen zu hören war, verzichtete das INTERFEST-Präsidium auf jede Art von Besichtigung. Vorgezogene Neuwahlen wären nicht unbedingt nach unserem Geschmack gewesen.
Dort beansprucht eine Besichtigung nur relativ wenig Zeit, weil fast nichts zu besichtigen ist. Von der Hauptpoterne sind noch gefühlte 100 Meter erhalten, einige finstere Nebenräume zweigen ab, ein nur schwach gesicherter dafür aber tiefer Brunnenschacht lädt auch nicht zum Verweilen ein und die gesamte Oberfläche und alle Gräben sind nur noch als Geländeformation zu erkennen.
Ein dort offenbar unerlaubt Bäume fällender Mensch fand unser Interesse ebensowenig wie die noch in weitem Umkreis vorhandenen Infanterie- oder Munitionsräume, letztere allerdings nur wegen der fortgeschrittenen Tageszeit und gewissen Unterkühlungserscheinungen bei einem Teil der Reisenden.
Schon auf dem Heimweg waren trotzdem noch ein paar Minuten für die Stadtbefestigung von Küstrin übrig, die aber keine besonderen Erkenntnisse mehr brachten. Man kann über die restaurierten Bollwerke ja durchaus unterschiedlicher Ansicht sein.
Weil die Verkehrsverhältnisse günstig waren und auch eine Kontrolle dieser vier verwegenen Herren durch die polnische Polizei folgenlos blieb, reichten etwa 10 Stunden für die gesamte Exkursion aus, die hiermit allen Lesern zur Nachahmung sehr empfohlen wird.
(Titelfoto O. Zauzig, andere FB)