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Am Wall 98 - Ein deutsches Bunkerdorf in den Niederlanden

Ein deutsches Bunkerdorf in den Niederlanden

Text und Bilder: M. Holtmann

Die Umgebung der niederländischen Kleinstadt Vlissingen am Nordufer der Scheldemündung in der niederländischen Provinz Zeeland besitzt eine unglaubliche Vielzahl deutscher Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg. Sowohl an der Küste als auch im Binnenland finden sich die grauen Betonüberreste der Wehrmacht. Wer dabei etwas Besonderes sucht, dem sei empfohlen, die Schelde zu überqueren und sich in ein deutsches Dorf zu begeben, genauer gesagt in ein Bunkerdorf: den Stützpunkt Groede.


Der Ort Groede liegt ca. drei Kilometer entfernt vom Ufer der Schelde. Im Gegensatz zu vielen anderen Ortschaften in der Gegend überstand Groede den Zweiten Weltkrieg unbeschädigt und präsentiert sich heute als malerisches Kleinod. Nach der Besetzung der Niederlande errichtete die Wehrmacht ab 1941 nördlich des Ortes einen Stützpunkt in Form eines Bunkerdorfes.

Das Bunkerdorf bestand ursprünglich aus 17 Gebäuden und Anlagen, von denen die meisten heute noch vorhanden sind. Es handelt sich dabei um Mannschaftsunterkünfte, Geschütz- und Munitionsbunker, einen Sanitätsbunker sowie einen Tobruk. Besetzt war die Anlage von Artilleriesoldaten der Wehrmacht. Die meisten Bunker befanden sich links und rechts einer zweispurigen "Dorfstraße" die den Stützpunkt von einem zum anderen Ende durchzog. Das Besondere an den Bunkern ist, dass man ihnen zur Tarnung Fenster und Türen aufgemalt hatte, die heute zum Teil noch sichtbar sind. In einigen Fenstern befanden sich Gardinen und Blumen – ebenfalls aufgemalt. Außerdem erhielten die Gebäude Namen, wie "Villa Freundlich", "Villa Moselland" und "Villa Saarland".


Bei diesem Bunker sind die aufgemalten Fenster deutlich   zu erkennen – aber auch Einschussspuren auf dem BetonDie Hauptstraße des Bunkerdorfs bei Groede

Im Oktober 1944 wurde das Bunkerdorf von kanadischen Truppen eingenommen. Angeblich waren die Kanadier überrrascht, als sie nicht, wie erwartet, Dorfhäuser antrafen, sondern auf Bunker stießen. Die Einnahme fand, laut Informationen vor Ort, kampflos statt. Warum viele der Bunker Einschussspuren an den Wänden zeigen, konnte ich aus keiner Quelle erfahren.

Mit Pinsel, Farbe und künstlerischem  Talent verschönerten die Soldaten ihre  graue Betonunterkunft Am Fuße des Scheldedeichs hat ein Exemplar des deutschen Kleinst-U-Bootes

Das Bunkerdorf ist heute integriert in ein Spiel- und Freizeitgelände für junge Familien mit Kindern. Es gibt Spiel- und Abenteuerplätze, ein Tiergehege und ein Café. Das Gelände ist tagsüber während des gesamten Jahres geöffnet. Die Bunker sind in gutem Zustand, und viele von ihnen können von innen besichtigt werden. Einrichtungsgegenstände aus der damaligen Zeit sind allerdings nicht mehr vorhanden.

Zahlreiche Informationstafeln mit (leider nur) niederländischen Erklärungen beschreiben die Geschichte und Funktion der Bunker. Ein besonders gelungenes Informationsmedium bilden Metallsäulen mit Lautsprechern, die über das gesamte Gelände verteilt sind. Wer möchte, kann sich an ihnen Tagebuchauszüge eines jungen deutschen Soldaten anhören, der in dem Bunkerdorf stationiert war. Auf diese Weise erfährt man viel über den Alltag und die Stimmung der Soldaten. Um die Texte zu hören, muss man allerdings zur Stromerzeugung permanent ein Fußpedal betätigen, was auf die Dauer recht anstrengend ist. Dafür wird aber der Ökologie auf dem Areal Rechnung getragen.

Die Umwandlung einer Ansammlung von Wehrmachtsbunkern in ein Freizeitgelände kann man sicherlich als ein vorbildliches und gelungenes Beispiel bezeichnen, wie man einem schützenswerten historischen Militärdenkmal eine neue Bestimmung verleiht, von der die lokale Öffentlichkeit einen konkreten Nutzen zieht. Es bleibt zu wünschen, dass dieses Beispiel häufige Nachahmung findet.

Zum Schluss möchte ich noch einmal auf das eingangs erwähnte Vlissingen zurückkommen. Neben den zahlreichen Bunkern gibt es dort nämlich eine weitere militärhistorische Sehenswürdigkeit. In einem großen Schaucontainer zwischen Stadtzentrum und Hafen befindet sich ein restauriertes Exemplar des deutschen Kleinst-U-Bootes "Biber", von dem zwischen Mai und September 1944 laut Wikipedia 324 Exemplare gefertigt wurden. Dieses Mini-U-Boot hatte eine Reichweite von knapp 200 Kilometern und konnte bis zu 30 Meter tief tauchen. Die Bewaffnung bestand aus zwei Torpedos und die Besatzung aus genau einem einzigen Mann. Das in Vlissingen ausgestellte Exemplar war einst in der Westschelde im Einsatz und wurde 1950 im Hafen von Vlissingen gefunden.

Informationen auf Niederländisch, Englisch und Deutsch zu den Bunkern bei Vlissingen findet man auf der Internetseite eines lokalen Festungsvereins:
www.bunkerbehoud.com

Literaturempfehlungen:
Ben Muller: Stützpunkt Groede, van artillerieopstellung in de Atlantikwall tot Groede Podium, Informationsheft zur Geschichte des Stützpunktes Groede mit zahlreichen historischen Fotos und Plänen. Der Text ist auf Niederländisch geschrieben

Ben Muller: Breskens onder Beton, Vesting in de Atlantikwall, ausführliche Beschreibung der deutschen Befestigungen in Breskens, die während der Besatzung der Niederlande im Zweiten Weltkrieg errichtet wurden. Breskens liegt in der Nähe von Groede am Südufer der Schelde. Die deutschen Befestigungen umfassten mehrere Stützpunkte und Widerstandsnester. Auch dieses Werk ist auf Niederländisch geschrieben.

Beide Bücher sind beim Autor erhältlich:
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Herr Muller spricht Deutsch und Englisch
Preise (zzgl Versand): Stützpunkt Groede: 6,00 € und Breskens onder Beton: 24,50 €



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