Reisebericht einer Schweiz-Tour vom 09.09.2017 bis 16.09.2017
Es ist 2 Uhr am Morgen des 09. September, als sich Schorsch Dietz, Lukas Zipp und ich, drei Festungsfreunde des Westwallmuseums "Festungswerk Gerstfeldhöhe", auf den Weg machen zu einer tollen Festungswoche in die Schweiz.
Unser erstes Ziel ist das Festungsgebiet von Sargans. Oberhalb Bad Ragaz, beim Ort Pfäfers, beziehen wir in einem abgelegenen Ferienhaus mitten in den Weinbergen, unterhalb der Kanonen des Artilleriewerks Furggels A 6355, unser Quartier. Nach einem deftigen Frühstück geht es schon los zur ersten Besichtigung, dem AW Furggels. Mit 7 km Stollenlänge, 4 x 10,5-cm-Turmkanonen 39 L52 und 4 x 15-cm-Bunkerkanonen 42/46 ist der Furggels nicht nur die größte Festung im Bereich Sargans, sondern gehört auch zu den größten Festungen der Schweiz. Der Haupteingang zu diesem riesigen Festungswerk befindet sich neben der Straße nach St. Margrethenberg in einer unscheinbaren Holzhütte. Über ein Labyrinth von Gängen geht es immer tiefer in den Berg. Wir folgen Schrägstollen nach unten, an deren Ende sich eine Kasernenanlage für mehrere hundert Mann Besatzung anschließt, zudem Küche, Speisesaal, Unterkünfte, Poststelle, Krankentrakt, riesige Wasserzisternen, Maschinenraum mit drei großen Stromaggregaten und vieles mehr. Schon nach kurzer Zeit hat man jede Orientierung verloren. Über eine Treppe geht es in das Obergeschoss zu den Munitionsmagazinen und den Aufstiegen zu den Panzertürmen. Leider ist eine Besichtigung der Panzertürme von innen nicht möglich. Umso mehr überrascht uns der gute Erhaltungszustand der 15-cm-Bunkerkanonen. In ihren Kasematten erwecken sie den Anschein als wäre noch vor ein paar Wochen mit ihnen geschossen worden. Nach ca. 2 Stunden Besichtigung verlassen wir durch einen Nebeneingang dieses tolle Werk. Noch eine schnelle Begehung der Panzertürme an der Oberfläche und verschiedener Nahkampfbunker des Werkes und schon geht es weiter zum nächsten Ziel. Bei nunmehr strömendem Regen erwartet uns unser Freund Walter Gabathuler in der Nähe des Haupteinganges des AW Castels A 6400. (Anm. d. Redakteurs: Herr Gabathuler war quasi der Alleinorganisator des Besichtigungsprogramms der Interfest-Jahrestagung 2016 in Sargans, wofür ihm hier noch einmal ausdrücklich gedankt sei).
Das Fort wird von der Schweizer Armee noch als Ausbildungskaserne genutzt. Die Oberfläche ist jedoch frei begehbar, und so führt uns Walter zu den drei 10,5-cm-Panzertürmen 39 des Werkes. Nass bis auf die Knochen machen wir uns auf den Rückweg zu unserer Unterkunft in der wir am offenen Kamin bei gutem Essen und Bier den Tag ausklingen lassen.
Der 2. Tag beginnt mit einem Marsch durch die Taminaschlucht bei Bad Ragaz, vorbei am Werk Tamina A 6370 mit seiner 7,5-cm-Bunkerkanone, welches als Gegenwerk zum großen Artilleriewerk Tschingel A 6225 erbaut wurde, danach noch ein kurzer Halt am Schollberg und dann weiter zum AW Magletsch A 6020. Der Verein AFOM hat an diesem Tag seine inaktiven Vereinsmitglieder, Unterstützer und Sponsoren ins Fort eingeladen. Dank unseres Freundes Walter Gabathuler dürfen wir auch dabei sein. Den Auftakt macht die 12-cm-Haubitzen Übungsbatterie auf dem Fort mit drei Böllerschüssen. Wie bei einem scharfen Kanonenschuss flattern uns die Hosenbeine. Danach werden wir von einem AFOM-Gästeführer, der extra für uns abkommandiert wurde, nach unseren Wünschen durchs Fort geführt. Leider ist der Sonntagnachmittag wieder einmal viel zu kurz, und die Führung endet bei einem Imbiss und Flaschenbier, gemeinsam mit den Festungsfreunden im Festungswerk.
Am 3. Tag geht es weiter Richtung St. Gotthard. Erster Halt, kurz vor Chur, ist die Sperrstelle Trimmis/Untervaz mit den Werken Molinär A 6315 mit 2 x 7,5-cm-Bunkerkanone, dem Gegenwerk Haselboden A 6325 mit 4 x 7,5-cm-Bunkerkanone, mehreren Pak- und MG-Kasematten und Panzergraben. Hier unterhalb des AW Molinär befinden sich auch die beiden Bunker der Bisonbatterie mit je 2 x 15,5-cm-Festungskanonen 93 L 52, die ab 1997 in Dienst gestellt wurden. Ab Chur folgen wir dem Vorderrhein zum Oberalppass und passieren dabei die Sperrstellen Trin, Russein und Oberalppass mit Pak- und MG-Kasematten, Infanteriewerken, GPH (Gelände-Panzer-Hindernis) in verschiedenen Ausführungen. Alles, was so einem Festungsfreund den Blutdruck in die Höhe treibt, dazu noch eine tolle Landschaft mit Hochgebirgspanorama und einer außergewöhnlichen Mittagspause auf ein paar Felsen mitten im Vorderrhein.
Unser letztes Festungsziel für heute ist Fort Bühl A 8675, am Eingang zur Schöllenenschlucht bei Andermatt. Das Fort, um 1892 errichtet und mehrfach modernisiert, dient heute noch als Logistikbasis der Schweizer Armee-Bewaffnung mit zwei Panzertürmen mit je einer 12-cm-Turmkanone System Schumann der Fa. Gruson, zwei 12-cm-Panzerhaubitzen, drei 5,3-cm-Versenkpanzertürmen und zwei 8,4-cm-Kasematten-Kanonen. Eine Abseilübung der Schweizer Armee verhinderte eine genaue Erkundung, welche Panzertürme die Zeit überdauert haben. Zurzeit sind in der Umgebung des Forts massive Umbaumaßnahmen im Gange. Bewachte Stolleneingänge, befahrbar für große LKW, zeugen von der Größe des hier im Berg entstehen- den militärischen, voll geschützten Rechenzentrums "RZ Kastro II". Weiter geht es zu unserer Unterkunft für den Rest der Tour -ein tolles Ferienhaus in einem kleinen Weiler mit nur einer Hand voll Häuser am Weg zum Sustenpass. Und auch hier das gleiche Ritual: Essen und Trinken am offenen Kamin.
Der 4. Tag führt uns zum 400 m über dem Fort Bühl gelegenen Fort Bäzberg A 8860 (1850 m). Aus der Schöllenenschlucht schlängelt sich eine schmale Militärstraße mit unzähligen Kurven den Steilhang hinauf zum Fort. Ein scharfer, kalter Wind aus dem Tal der Reus jagt die Wolken über den Berg, so dass sich im Minutentakt Sonne und dichter Nebel abwechseln.
Nach einem anstrengenden Fußmarsch erwartet uns auf dem Berg ein tolles Fort mit Kriegskaserne und drei Panzertürmen für je eine 12-cm-Turmkanone System Schumann der Fa. Gruson. Die drei 5,3-cm-Versenkpanzertürme sind leider nicht mehr vorhanden. In der Umgebung des Forts befinden sich noch viele offene Batterien für Positionsgeschütze verschiedener Kaliber. Obwohl der Tag uns schon sehr viel geboten hat, fahren wir noch zum wenige Kilometer entfernten AW Fuchsegg A 8630. Das Fort befindet sich am Aufstieg zum Furkapass, oberhalb der Realp, in einer Höhe von 2000 m. Erbaut wurde es in der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Mit vier 10,5-cm-Turmkanonen 39, besitzt das Werk Fuchsegg eine enorme Feuerkraft. Mit einer Reichweite bis 22 km konnten alle wichtige Alpenübergänge (St. Gotthard, Oberalppass, Furkapass, Grimselpass) in diesem Gebiet erreicht werden. Drei Schweizer Berghütten auf der Werksoberfläche entpuppen sich als MG-Bunker zur Oberflächenverteidigung des Werkes und sind, obwohl mit der Außerdienststellung der Anlage die Scharten-Tarnungen entfernt wurden, erst aus der Nähe als Bunker zu erkennen.
Am 5. Tag geht’s auf die Gütsch, dem im Bereich Andermatt am stärksten befestigten Berg. Von der Station Nätschen der Oberalpbahn (1800 m) geht es der Militärstraße folgend kilometerweit den Berg hinauf. Auf ca. 2300 m Höhe erreichen wir das Artilleriewerk Gütsch A 8685, das in den Jahren 1941 bis 1944 erbaut wurde. Die Hauptbewaffnung besteht aus 3 x 10,5-cm-Turmkanonen 39, dazu noch drei Infanteriebunker für die Außenverteidigung und einer großen Anzahl von Feldstellungen für Infanterie und Flak. Versorgt werden konnte das Werk über eine Luftseilbahn. Die Talstation befindet sich am Bahnhof in Göschenen. Die Seilbahn endet im AW Gütsch, so dass die Gondeln im Festungswerk entladen werden konnten. Ab 1997 wurde auf dem Gelände des AW Gütsch noch eine Bisonbatterie mit zwei Bunkern mit jeweils 2 x 15,5-cm-Festungskanonen 93 L52 in Dienst gestellt, Schussrichtung nach Osten Richtung Oberalppass. Dieses moderne Festungsgeschütz besitzt eine beachtliche Kadenz von 5 Schuß in 25 Sekunden und eine Reichweite von 40 km.
Bei nunmehr scharfem Wind, abwechselnd Sonne und Schneetreiben, geht es noch weiter zum Fort Stöckli hinauf. Erbaut wurde dieses Fort 1894. Die Bewaffnung bestand aus zwei 12-cm-Panzerhaubitzen Modell 1891 und zwei 5,3-cm-Fahrpanzern. Von hier aus bietet sich uns eine tolle Aussicht zum Bäzberg auf der anderen Talseite, mit dem am Tag zuvor besichtigten Fort Bäzberg, das nun über 400 m unter uns liegt.
Am 6. Tag fahren wir bei dichtem Nebel hinauf zum legendären St. Gotthard. Über die alte, noch mit Kopfsteinpflaster gedeckte, Passstraße erreichen wir kurz vor der Passhöhe das AW San Carlo A 8390 auf 2060 m Höhe. Das AW San Carlo ist ein kleines, sehr kompaktes Werk mit zwei 10,5-cm-Turmkanonen 39. Das 1942 erbaute Werk wurde 1999 als Kampfanlage aufgehoben und zum Wellnesshotel "La Claustra" umgebaut. Herbert Jäger und ich hatten im Jahre 2000 die Gelegenheit, das Werk während des Umbaus zum Hotel zu besichtigen. Der Höhepunkt des Tages ist jedoch das auf dem Pass gelegene AW Sasso da Pigna A 8385, erbaut von 1941 bis 1945 und 2012 als Festungsmuseum eröffnet. Die Hauptbewaffnung besteht aus vier 15-cm-Festungskanonen 42/46 in Kasematte mit einer Reichweite von 24 km. Mit einer halbautomatischen Ladevorrichtung konnte eine Schusskadenz von 4 bis 6 Schuss pro Minute erreicht werden. Das Werk wurde auf zwei Ebenen errichtet, wobei die untere Ebene den Kasernenteil mit der Werksinfrastruktur umfasst. Auf der 80 m höher gelegenen oberen Ebene befinden sich die Geschützkasematten, Munitionsdepots, Beobachter, Unterkünfte für die Bereitschaft und das Schießbüro. Erreicht wird dieser Festungsteil von der Kaserne aus über einen 1 km langen Stollen, an dessen Ende sich ein Schrägschacht mit einer Treppe von 400 Stufen und einer Standseilbahn anschließt.
Nach mehreren Stunden Aufenthalt im Berg erwartet uns zu unserem Leidwesen neben starkem Wind und Nebel auch noch Regen, was unsere Lust nach Außenbesichtigungen nicht gerade erhöht. Aber wo wir schon mal da sind, hoffen wir auf der Südseite des St. Gotthard bei Airolo auf besseres Wetter zu treffen, um die doch sehr umfangreichen Befestigungen um den St. Gotthardtunnel zu erkunden. Doch leider ist dem nicht so, und so werden das kleine AW Foppa Grande A 8370 mit seiner 10,5-cm-Turmkanone 39, einem 12-cm-Festungsminenwerfer und die auf dem Festungsgelände gelegene Bisonbatterie Airolo Nord mit 2 x 15,5-cm-Festungskanonen im Laufschritt besichtigt. Weiter geht es zum wenige hundert Meter entfernten Fort Motto Bartola das 1890 errichtet wurde. Die Kriegskaserne wird auch heute noch vom Militär genutzt, die offenen Geschützstellungen für ehemals 4 x 12-cm-Kanone und 8 x 8,4-cm-Kanone können begangen werden. Die Bisonbatterie Airolo Süd mit 2 x 15,5-cm-Festungskanonen befindet sich auch auf dem Gelände des Fort Motto Bartola. Nunmehr nass bis auf die Knochen, brechen wir die Besichtigung ab.
Der 7. und letzte Tag unserer Festungsreise empfängt uns mit Bilderbuchwetter. Und so nutzen wir dies für eine Tour über drei Pässe. Der Sustenpass (2260 m) liegt schon unter Eis und Schnee. Unser mittlerweile geschultes Festungsauge hat jedoch die dortigen Pak- und Infanteriebunker schnell ausgemacht. Ein paar Fotos und dann weiter zum Grimselpass. Unser Ziel ist das große AW Grimsel A 8900, 2000m hoch gelegen über dem Grimselsee. Sechs 15-cm-Festungskanonen 42/46 bilden die Hauptbewaffnung. Das Werk konnte bis zum Rückbau 2004 mit einer 450 m langen Standseilbahn für 25 Personen oder über einen Nebeneingang von der Staumauer des Grimselsees aus über einen Stollen mit 700 Treppenstufen erreicht werden. Vom Grimselhospiz hat man eine sehr gute Aussicht auf den Grimselsee, die Staumauer und das darüber gelegene Artilleriewerk mit seinen Scharten, die nach Abbau der Tarnblenden zu erkennen sind. Um das Grimselhospiz herum gibt es einige Infanteriebunker zur Außenverteidigung des Artilleriewerkes. Einer davon ist für Besucher hergerichtet. Auf dem Pass selber befinden sich noch einmal zwei Infanteriewerke mit entsprechenden Straßensperren auf 2164 Meter Höhe. Unser nächstes Ziel ist der Furkapass mit dem Artilleriewerk Galenhütten A 8605. Das mit seinen hellen Granitquadern gedeckte und in exponierter Lage oberhalb des Rhone Gletschers erbaute Werk ist schon von weitem zu erkennen, Bauzeit: 1889 bis 1893, Armierung: eine 12-cm-Panzerhaubitze, zwei 12-cm und zwei 8,4-cm-Kanonen in Kasematte mit recht bescheidenem Richtbereich. Ein Panzerbeobachtungsturm rundet dieses kleine aber feine Werk ab. Wohin man auch blickt, ein hochalpines Bergpanorama das seinesgleichen sucht. Und unter uns, den Berg hinauf, raucht und pfeift eine Dampflokomotive der Furka-Bergbahn. Von der Station Gletsch kommend, schnauft und stampft der Zug auf der 1911 bis 1925 erbauten Bergstrecke langsam dem Furkascheiteltunnel zu. Die nach dem Bau des Furkabasistunnels 1981 aufgegebene Strecke wurde vom Verein Furka-Bergstrecke in Teilabschnitten wieder in Betrieb genommen und ist nach umfangreichen Sanierungsarbeiten seit 2010 wieder auf voller Länge auch unter Dampf befahrbar. Auf der Passhöhe marschieren wir noch durch den Schnee zu einigen Infanteriebunkern, und dann geht es den Furkapass hinab am AW Fuchsegg vorbei nach Andermatt und weiter zu unserem Ferienhaus mit dem heiß geliebten Kamin mit gutem Essen und Flaschenbier. Und so enden ein toller Tag und eine super Festungstour.
Auf der Heimreise am nächsten Tag noch ein kurzer Halt am Vierwaldstättersee bei Stanz. Hier gilt noch unser Interesse dem Mueterschwanderberg. Das 1944 fertiggestellte Artilleriewerk wurde 2001 außer Dienst gestellt, so dass die ungetarnten Scharten gut zu erkennen sind. Die Festung besteht aus drei Werken mit einer beachtlichen Feuerkraft: Blattiberg (A2288.01), 12 × 7,5-cm-Kanonen 03/22, 1 × 9-cm-Pak 50/57; Drachenfluh (A2288.02) 2 x 10,5-cm-Kanone 35 L42 und Zingel (A2288.03) 8 × 15-cm-Haubitzen 16, 2 × 7,5-cm-Kanonen 03/22. Auf drei Ebenen gelegen, sind die Werke durch eine 432 m lange unterirdische Standseilbahn miteinander verbunden, die einen Höhenunterschied von fast 230 m überwindet.
Fazit:
Von den 22 in der Schweiz gebauten 10,5-cm-Turmkanonen 39 haben wir 20 gesehen. Von 20 in Festungswerken eingebauten 15-cm-Kanonen 42/46 waren wir an deren 14.
Von vier gebauten Bisonbatterien mit jeweils zwei Bunkern mit je 2 x 15,5-cm-Festungskanone 93 L52 sind wir an dreien gewesen.