Kanonen am Cabo Blanco
Von Osten kommend ignoriert man die Stichstraße zum Leuchtturm am Cap und fährt weiter in Richtung Arenal. Wer sich dann wie ich vom herrlichen Ausblick auf die Bucht von Palma ablenken läßt, ist schon fast vorbei. Wonach ich gesucht hatte, befand sich auf einer Anhöhe rechts der Straße, es war dort schon von Weitem auszumachen, trotz eines aufwendigen Tarnanstrichs: Ein Geschützturm gleicher Bauart wie der vor dem Castillo San Carlos in Palma. Bei langsamer Weiterfahrt waren auf dem Hügel verteilt weitere Gebäude und ein weiterer Geschützturm zu erkennen.
Das Ziel schien erreicht. Doch nach dem Parken des Autos und Verstauen von Ausrüstung und Proviant wurde das Zufahrtstor zum Batteriegelände mit Ketten verschlossen vorgefunden. Das gesamte Areal war umgeben von einem Drahtzaun auf einer Bruchsteinmauer. Zudem verboten zahlreiche Schilder mit der Aufschrift "Coto Privado de Caza" den Zutritt. Doch trotz des Vorfalles mit einem besonders aggressiv auftretenden Grundbesitzer am Tag zuvor siegte der Forscherdrang. Bald waren eine Beschädigung im Zaun ausgemacht und die Mauer überwunden. Nun wurden die Kreise um den Hügel, nur unterbrochen durch Fotostopps, immer enger gezogen. Nach Übersteigen weiterer Mauern versperrte endlich nur noch verrosteter Stacheldraht den Weg, ein sicherer Hinweis auf Militärgelände! Bald waren in den Fels getriebene Zugänge zu unterirdischen Anlagen auszumachen, dann eine runde Betonbettung, durch Umzäunung gesichert. War das der ursprüngliche Aufstellungsort des Turmes, der jetzt am Castillo San Carlos zu bestaunen ist? Weiter bergauf wurde der Turm wieder sichtbar, der schon von der Straße aus zu erkennen war, erst teilweise durch Büsche verdeckt, dann, oben angekommen, in voller Größe. Und wie groß der war! Ein wirklich beeindruckender Anblick. Die nächste Überraschung wurde mehr aus den Augenwinkeln wahrgenommen. Zwei Soldaten in Tarnanzügen auf dem Weg in meine Richtung. Da half nur Flucht nach vorn. Mit einem freundlichen "Olà" begrüßt und auf Englisch angesprochen, begegneten mir die beiden Militärpolizisten aufgeschlossen und waren darüber hinaus noch bereit, mir Fragen zu beantworten.
So war zu erfahren, daß die Batterie den Status aktiven Militärgeländes verloren hat. Zu den Geschützen befragt, wurde nur bestätigt, was bereits bekannt ist: Kaliber 30,5 cm, die Reichweite wurde mit mehr als 30 km angegeben. Ob dieser Wert von einem Geschütz erreicht werden kann, das - wie vermutet - bereits auf einem Schlachtschiff des Baujahres 1908 eingebaut war, mögen Fachleute wie Herbert Jäger beurteilen. Jedenfalls gab es auf die Frage, ob Fotos möglich seien, keine Einwände. Ein Soldat war sogar so freundlich, eine Aufnahme mit mir als Maßstab vor dem Turm zu machen. Danach konnte das gesamte Batteriegelände ungehindert begangen werden. Zuerst wurde der Turm umrundet und fotografiert. Die beiden hinteren Panzertüren waren verschweißt bzw. durch Schlösser verriegelt. Die Tür vorne rechts am Turm war jedoch mit einigem Kraftaufwand zu öffnen und ermöglichte einen Blick auf Richtmittel und Anzeiger für Seitenrichtung und Rohrerhöhung. Der Erhaltungszustand im Inneren war durchweg als gut zu bezeichnen. Durch den weißen Innenanstrich waren einige wenn auch etwas unscharfe Bilder möglich. Da alle blanken Metallteilestark eingefettet waren, wurden Angaben über Hersteller oder Produktionsjahr nicht gefunden. Die Frage, ob es sich hier um englische Geschütze handelt, mit denen die Schlachtschiffe der España-Klasse armiert waren, bleibt also noch unbeantwortet.
Dem geteerten Weg in Richtung Küste folgend, waren mehrere in den Fels gearbeitete Zugänge zu den Munitionsmagazinen unter den Türmen auszumachen. Von stabilen Stahlgittertüren verschlossen, bogen die gewölbten Gänge nach ca. 15 m seitwärts ab. An einem der Tore war ein gelbes Emblem in Form einer runden Bombe angebracht, darauf die Jahreszahl 1955. Ein Hinweis auf die Entstehungszeit der Batterie? An Wach- und Wohngebäuden im Zustand fortschreitenden Verfalls vorbei, wurde auf der höchsten Stelle des Batteriegeländes der Leitstand vorgefunden, die Schlitzscharten für die Beobachtung und Entfernungsmessung durch Panzerblenden verschlossen. Der Ausblick von der Decke des Standes auf das Meer und die Bucht war beeindruckend!
Weiter abwärts in Richtung Küste war der zweite Turm zu erkennen. Hier wurde ein zusätzlicher unterirdischer Zugang entdeckt, der wohl dem Personal als Zugang diente. Wie schon bei Turm 1 war auch hier das Erdreich in der Hauptschußrichtung durch eine Betonauflage versiegelt. Durch diese Maßnahme sollten wohl Staubaufwirbelungen beim Schuß vermieden werden.
Beim Rundgang um den Turm ermöglichte es die waagerechte Stellung des Rohres, die Mündungsschutzkappe zu entfernen, und eine Vielzahl von Feldern und Zügen des Seelenrohres wurde sichtbar. Beschriftungen waren leider auch hier nicht vorhanden, tiefere Einsichten verhinderte ein massiver Fettklumpen. Nach dem Wiederaufsetzen der Schutzkappe und einigen abschließenden Fotos von Ladekran und Geschoßübergabevorrichtung hinten am Panzergehäuse wurde es Zeit zum Aufbruch.
Nach Überklettern des verschlossenen Tores an der Küstenstraße endete eine spannende Entdeckungstour. Die Fotos waren im Kasten und der Wein, mit Freunden zum Tagesausklang genossen, schmeckte besonders gut. Wünschenswert wäre es, würde sich jemand, privat oder durch staatliche Stellen, um den Erhalt dieser Stellung kümmern. Daß so etwas möglich beweist die Umwandlung der ehemaligen 38,1 cm "Bateria de San Pedro" westlich von La Coruña in einem Park. Negatives Beispiel wäre dagegen die 38,1 cm "Bateria de Prior Alto" nur wenige Kilometer entfernt, bei Ferrol, die mit Brennern zerlegt wurde. Ich kann nur hoffen, daß die Batterie am Cabo Blanco davor verschont bleibt.
Heinz Schramm, 2005
Verwendete Literatur:
- Fortifikation 12, 1998: "Die Geschütze des Museo Militar von Palma de Mallorca" von Herbert Jäger.
- L. M. Franco, J. V. Garcia: Los Canones de La Coruna, 2004
- L. M. Franco, J. V. Garcia, J. L. Hermida: La Costa Inexpugnable, Valladolid 2002
- Breyer, Siegfried: Schlachtschiffe und Schlachtkreuzer, München 1970